Osterbotschaft

„Du bist nichts, und aus dir wird nichts.“ „Dumm bleibt dumm.“ „Lass es sein, probier es erst gar nicht, das kannst du eh nicht.“ Oder: „Du bist und bleibst der Beste, keiner wird dir je das Wasser reichen können.“ Das, liebe Mitchristen, nennt man in der Psychologie „Glaubenssätze“, das heißt, Sätze, die wir von Kindesbeinen an zu hören bekamen, von Eltern, Lehrern, Freunden oder sonstigen Bezugspersonen und die uns geprägt haben. Sätze, die uns für unser ganzes Leben oft tief prägen, von denen wir glauben, dass wir tatsächlich so sind, wie es uns eingetrichtert wurde, in Positiven wie im Negativen, meistens negativ. Ein Dogma, ein Glaubenssatz, der uns geformt hat, und den wir immer wieder zu hören bekommen, lautet: „Nichts ist so sicher wie der Tod. Todsicher“. „Alles ist unsicher, nur der Tod ist gewiss.“ „Tod ist Tod. Punkt. Keiner ist je wiedergekommen.“

Ostern will uns ermutigen, dieses Denksystem in dem wir leben, infrage zu stellen, zu sprengen, nicht einfach für bare Münze zu nehmen, diesen Satz anzuzweifeln! Der Tod ist nicht mehr das einzig Sichere im Leben. Das Leben ist stärker. Und so können wir anzweifeln, was vielen so sicher erscheint: die Herrschaft der Todesmacht, die Macht lebensfeindlicher Kräfte, die Gottverlassenheit dieser Welt, die Aussichtslosigkeit des eigenen Lebens.

Der Osterglaube stellt diese Todesgewissheiten auf den Kopf: Aus Trauer wird Freude, aus Gottverlassenheit die Gewissheit der Nähe Gottes, aus Angst Mut. So jedenfalls bei den Frauen, den beiden Marias: Und sie gingen schnell weg vom Grab mit Furcht und großer Freude, um es den Jüngern zu sagen. Maria Magdalena verkündet den Jüngern die Auferstehung. Doch wo werden die Frauen, wo werden die Jünger ihm begegnen? Zweimal wird es gesagt in der kurzen Erzählung von Matthäus (Mt 28; 1-10): „Der Engel sagt: Und siehe, er wird vor euch vorausgehen nach Galiläa; dort werdet ihr ihn sehen.“ Und der Auferstandene selbst sagt: „Geht hin und verkündigt es meinen Brüdern, dass sie nach Galiläa gehen: dort werden sie mich sehen.“ Der Auferstandene, er ist nicht in einer übernatürlichen Erscheinung über den Wolken zu finden, nicht in der heiligen Stadt Jerusalem, auch nicht an einem anderen heiligen Ort, sondern ausgerechnet in Galiläa, dem Norden des Landes Israel, den viele Fromme für heidnisch hielten. Nirgends anders als in Galiläa, und das heißt: dort, wo die Jünger herkamen, die einfachen Frauen und Männer, die Jesus gefolgt waren. Dort, in ihrem Alltag, wo sie ihre Fischernetze geflickt haben, wo sie gekocht und gebacken haben, wo sie anderen Menschen begegneten, miteinander geredet und gestritten haben, wo sie einander geliebt haben und füreinander gesorgt haben. Mitten in ihrer Welt, in ihrem Alltag. Nicht in einer „himmlischen Sonder- oder Märchenwelt“.

Auch wir werden dem Auferstandenen nirgends anders begegnen als in unserem Galiläa, dort, wo wir leben und lieben, arbeiten und ruhen. Und doch können wir die Welt vielleicht mit anderer Augen sehen, ein bisschen tiefgründiger als nur oberflächlich: es gibt mehr als das, was wir augenscheinlich sehen und tagtäglich erfahren. Oder mit Nelly Sachs ausgedrückt: „Es muss im Leben mehr als alles geben.“ Die Welt ist nicht gottverlassen, sondern durchdrungen von der Osterbotschaft. Sie ist nicht der Ort der Gottesferne, sondern voll von Orten, an denen wir dem Auferstandenen begegnen können. Unser Leben ist nicht haltlos und kein tiefer Abgrund, sondern gehalten von Gottes Liebe.

Sehr schön ausgedrückt ist das in einem Gedicht eines russischen Dichters: „Was uns das Leben auch lehren sollte, das Herz glaubt doch an Wunder: Es gibt eine unversiegbare Kraft, es gibt auch eine unverwesliche Schönheit. Das irdische Verwelken berührt die unirdischen Blumen nicht, und von der Hitze des Mittags trocknet der Tau auf ihnen nicht. Und dieser Glaube betrügt jenen nicht, der allein durch ihn lebt. Nicht alles, was hier blühte, wird verwelken, nicht alles, was hier war, wird vergehen.“

Die Welt und das eigene Leben so sehen zu können, dazu möchte uns Ostern ermutigen, immer wieder, Jahr für Jahr. Unsere Glaubenssätze, die in uns stecken, und uns und unser Denken und Fühlen oft ganz tief ausmachen und prägen, sind nur die halbe Wahrheit über diese Welt und unser Leben. Das Leben endet nie, es wandelt sich.

Ihr Pfarrer Thomas Fuchs