Dunkel ist nicht gleich Dunkel

Zu Beginn der Adventszeit habe ich eine Meditation gelesen, die mich sehr berührt hat. Die Autorin zeigt in ihren Zeilen auf, dass Dunkel nicht nur Chaos, Schrecken, Drangsal und Not bedeuten.

Mit Dunkel verbinden wir auch Erfahrungen, die uns an den Rand bringen, uns den Lebensmut und die Hoffnung nehmen. Die Dunkelheit ist auch Ort des Heimlichen, des Bösen und des Verbrechens. Die Dunkelheit steht aber auch für den Ursprung, für etwas, das sich nur in ihr entfalten und entwickeln kann und etwas Neues, ja sogar Leben hervorbringt.

Die Bibel berichtet zum Beispiel, dass Gott sein Schöpfungswerk begonnen hat, als „Finsternis über der Urflut“ lag. Jesus erzählt im Gleichnis vom Weizenkorn, dass es in die dunkle Erde gelegt werden muss, damit daraus neues Leben entsteht. Ein Kind wächst und entwickelt sich in der dunklen Geborgenheit des Mutterschoßes. Die großen Mystiker berichten von dunklen Lebens- und Glaubensphasen, von der „dunklen Nacht“ oder „Seelenfinsternis“. Aus diesen Dunkelheiten entstand jedoch ein reifer, tiefer und befreiender Glaube, der heute noch viele Menschen, gerade auch kirchlich distanzierte, anspricht und ihnen Orientierung auf ihrer „Suche“ gibt. Das Dunkle ist also nicht nur negativ belegt. Es ist sogar die Bedingung dafür, dass überhaupt etwas entstehen kann. Im Dunkel keimt das Neue. In der dunkelsten Zeit des Jahres feiern wir die Geburt unseres Heilandes, der von sich sagen wird: „Ich bin das Licht der Welt“. Und wir erinnern uns auch daran, dass mit ihm die letzte Dunkelheit gebrochen wurde. Jesus hat durch seinen Tod und seine Auferstehung das Dunkel endgültig besiegt, das für uns am vernichtendsten und bedrohlichsten ist: den Tod.

An Weihnachten feiern wir, dass das Licht der Welt als wehrloses Kind zu uns kam; Gott ist in den Kind von Bethlehem unser Menschenbruder geworden ist. Sein Licht kam in unsere Finsternis. Viele von uns erleben Dunkelheiten, müssen diese aushalten und erleiden, oft hilflos und ohnmächtig. Und diese Zeit der Pandemie bringt uns noch zusätzlich so manche Dunkelheit.

Aber das Dunkel ist nicht gleich dunkel. Hier entstehen auch neue Einsichten und Perspektiven, Schöpferisches und neues Leben. Das mag uns allen Mut und Hoffnung geben, dass unsere persönlichen finsteren Zeiten nicht nur irgendwann ein Ende nehmen, sondern dass in unseren Dunkelheiten etwas Neues wächst, heranreift und keimt. Vielleicht schon in diesen letzten Adventstagen und an Weihnachten.

Ihr Pfarrer
Thomas Fuchs